Ungarn

Leben wie im Backofen

Szép Gyöngyvér

© Domaniczky Tivadar

Wohnblocks in Budapest, Óbuda

© Domaniczky Tivadar

Szép Gyöngyvér, 53 Jahre alt, arbeitslos und Mutter von drei Jungen und einer Tochter. Die fünfköpfige Familie lebt in einer 50 m2 großen Fertigbauwohnung. „Wir müssen im Monat mit 500 € auskommen. Die Nebenkosten belaufen sich auf 260 €. Die Heizkosten im Bezirk betragen 130 € im Winter und 60 € im Sommer, doch die Temperaturen in der Wohnung sind überhaupt nicht angemessen — es ist immer zu warm. Im Winter sind es 26 °C; ich kann das nicht regulieren, deshalb muss ich das Fenster öffnen, um eine erträgliche Temperatur zu erreichen, d. h. eigentlich heize ich die Straße. Im Sommer habe ich 33 °C in der Wohnung gemessen, was dazu führt, dass ich nicht schlafen kann und an Ödemen und Schwellungen leide. Als ich vor sieben Jahren hierher zog, war es nach meiner Erinnerung mindestens 4 °C kühler.”

Es gibt in Ungarn fast 788.000 Wohnungen in Fertigbauweise mit 2,1 Mio. Bewohner*innen. Technische Probleme, die Bedachung, die Leitungen, unpassende Schall- und Wärmedämmungen sowie nicht regulierbare Heizsysteme erhöhen die Lebenshaltungskosten in diesen Blöcken unverhältnismäßig. Das nationale Dämmprogramm für Fertigbauwohnungen kommt nur langsam voran. In der Hitzewelle von 2003 stieg die Zahl der Tage mit Temperaturen über 30 °C im landesweiten Schnitt auf den Rekordwert von 45 °C an. In den Hitzewellen von 2008 bis 2011 wurde ein Anstieg der Sterberate um 15 — 28 % festgestellt; es traf in 80 % der Fälle ältere Menschen über 65 Jahre. Im Sommer 2019 lag die tägliche Durchschnittstemperatur jeden Tag über der Klimanorm. Der Monat August war um 30 % trockener als der Durchschnitt. Die Stadtbevölkerung ist weitaus stärker gefährdet, weil die Temperaturen etliche Grade höher liegen, der natürliche Luftaustausch geringer ist und die Abstrahlung der Gebäude die Temperaturen etliche Stunden länger hoch hält.