Indien

Intensivere Regengüsse und Überschwemmungen

Ram Singh und seine Frau

© Soma Basu/ Down to Earth

Die Überschwemmung in Kedarnath

© Rohit Dimri

Es war am 16. Juni 2013 um 19.18 Uhr, als Ram Singh den lautesten Knall seines Lebens hörte, das ohrenbetäubende Getöse einer Katastrophe: „Ich fühlte mich, wie wenn der Himmel auf die Erde stürzen würde. Innerhalb von Sekunden drang eine riesige Wasserwand zum Tempel von Kedarnath vor. Dicke Brocken von Geröll flogen in die Luft wie bei einer Explosion. In weniger als 15 Minuten wurden tausende Menschen hinweggeschwemmt.” Singh war zusammen mit 17 Leuten aus seiner Heimatstadt Ujjain in Madhya Pradesh auf Pilgerreise; er kehrte nur mit fünf zurück. „Nach unserem Besuch im Tempel wollte mein Sohn noch die Berge sehen, und so nahm ich ihn mit; meine Frau folgte uns”, sagte er. „So überlebten wir. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo der Rest meiner Familie ist.”

Wissenschaftlicher Hintergrund

Die Überschwemmungen in Uttarakhand im Juni 2013: Surya Prakash, Dozent am National Institute of Disaster Management (NIDM), hat festgestellt, dass die außerordentliche Höhe der Niederschläge durch ein Zusammenkommen von Westwinden mit dem Monsunwolken-System verursacht wurde. Dazu kam noch, dass wahrscheinlich eine große Menge Schmelzwasser von den Gletschern infolge hoher Temperaturen in Mai und Juni zum Bruch von Moränen führte, die die Seen am Fuße der Gletscher eindämmen. Mehrere Hundert Personen kamen ums Leben, Tausende sind noch vermisst.

Änderungen im indischen Monsunsystem: Eine Trendanalyse von S.K. Dash, Professor und Leiter am Centre for Atmospheric Sciences, Indian Institute of Technology – Delhi, zeigt, dass Indien zwischen 1951 und 2000 während der Monsunzeit kurze Phasen von weniger als vier Tagen mit Starkregen erlebte, aber weniger längere Phasen mit mäßigem Regen. Nach Erfassung von Niederschlagsmengen von 2599 Stationen zwischen 1901 und 2005 warnen Wissenschaftler des India Meteorological Department (IMD) vor einem erhöhten Überschwemmungsrisiko in den meisten Teilen von Indien: “Höheres Überschwemmungsrisiko gilt von nun an als die wichtigste punktuelle Bedrohung durch den Klimawandel.” (Current Science, Juni 2013).

Ladakh – Sturzfluten

Von der Wasserflut zerstörtes Haus in Leh

© Ladakh Art and Media Organisation(LAMO)

Bergpanorama von Ladakh

© Papia Samajdar/CSE

August 2010. Eine reißende Sturzflut verwüstet Leh, tötet 257 Menschen im gesamten Bezirk, verletzt Tausende und zerstört Eigentum, Infrastruktur und Lebensgrundlagen. Sie war das Ergebnis sehr heftiger Regenfälle auf einer kleinen Fläche, und es gab noch andere Gründe: starke Sonnenstrahlung ließ den Schnee schneller schmelzen und erhöhte die Luftfeuchtigkeit. Die Temperaturen blieben niedrig und führten zur Bildung dichter tiefhängender Wolken. In dem Moment, wo sie über Gletscher zogen, kondensierten sie weiter und entluden sich schließlich in Wolkenbrüchen. Wolkenbrüche und Gewitterschauer, wie man sie vorher noch nie in der Geschichte von Ladakh kannte, verursachten Sturzfluten in fast allen Seitentälern des Indus im Distrikt Leh.

Der regionale Zusammenhang

Ladakh liegt an der Nordwestseite des Himalayas, umgeben von vier Gebirgsketten mit extrem hohen, schneebedeckten Gipfeln: Himalaya, Zanskar, Ladakh und Karakorum. Zusammen mit dem Hochplateau von Tibet beherbergen diese Ketten 45.000 Gletscher mit zusammen 90.000 qkm. Sie bilden den größten Frischwasserspeicher außerhalb der Polkappen und werden daher auch „Asiens Wasserturm“ oder „Der dritte Pol“ genannt; sie speisen die größten Ströme Asiens. Aber die Gletscher des Himalayas, Wasserquelle für Milliarden Menschen, ziehen sich schneller als in anderen Teilen der Welt zurück (Cruz et al., 2007, Quelle: NASA EROS Data Center, September 9, 2001).

Der Klimawandel in Ladakh

Ladakh ist eine kalte Wüste, in der es nur an zwei Tagen pro Jahr regnet oder schneit. In den letzten 20 bis 25 Jahren nahmen die Niederschläge zu, allerdings in sehr unregelmäßigem Muster. 2002 zum Beispiel gab es fast keinen Regen, aber viel Schnee. Im Gegensatz dazu betrug 2006 die Regenmenge 150 mm gegenüber einem Durchschnitt von 32 mm von 1995 bis 2007 (Field Research Laboratory in Leh).

Ladakh – Wasserreporter

Ringchen (Wasserreporter aus Domkar)

© CSEIndia

Hochwasser im Distrikt Leh: Das Gebiet Tashi Gatsal in Choglamsar wurde am schlimmsten von der Sturzflut am 6. August 2010 getroffen; allein hier starben rund 200 Menschen.

© Ladakh Art and Media Organisation (LAMO).

Ringchen aus dem Dorf Domkar, rund 120 km von Leh: „In den letzten fünf Jahren stellten wir fest, dass unsere Bäche im Sommer im Juli und August mehr Wasser führen – so stark, dass sie über die Ufer traten und es Fälle von Überflutungen gab. Zunächst waren wir ratlos, aber in Gesprächen mit den Dorfältesten erfuhren wir, dass es oben auf den Bergen am unteren Rand der Gletscher große Seen gibt, die das ganze Jahr über zugefroren sind und wo man nur im August das Wasser sehen kann. Als wir hochstiegen, sahen wir zahlreiche kleine und große Seen mit wenig Wasser infolge eines Seedurchbruchs, aber es gab auch einige mit Wasser. Dies zeigte uns, dass der Schnee aufgrund der steigenden Temperaturen schneller abschmilzt.”

Aktion

Das Media Resource Centre von CSE organisierte einen Workshop für Journalisten und Wasserreporter in Leh in Ladakh, um ihre Aufmerksamkeit für die Anzeichen von Klimawandel in diesem anfälligen Ökosystem zu schärfen. Wasserreporter sind handverlesene Bewohner einiger Dörfer rund um Leh, die sich aktiv mit den aktuellen Änderungen der dortigen Wettermuster beschäftigt haben. Um sie als Bürgerreporter zu trainieren, hat das Media Resource Centre ein Formular entworfen, das für gründliche Feldstudien vor Ort mitgenommen werden kann (siehe oben). Es dient als Orientierung für Themen des Klimawandels, der Teil ihres Lebens geworden ist, aber vor allem als Hilfestellung dazu, wie man so über seine Indikatoren und Anzeichen schreibt, dass sie das Vorstellungsvermögen der Leserschaft anregen. Das Media Resource Centre versucht den Wasserreportern also neben dem Dokumentieren dessen, was sie vor Ort herausfinden, auch einige grundlegende Schreibfertigkeiten zu vermitteln.