Grönland

Das Eis schmilzt

Aqqaluk Lynge, vormaliger Präsident des Inuit Circumpolar Councils

© Inuit Circumpolar Council

Jäger in der Gegend von Ilulissat, West-Grönland

© David Trood, Ilulissat 23, flickr /iloveGrönland

„Die Jagd ist ein integraler Bestandteil der Lebensweise der Inuit. Doch in den letzten Jahren hat sich die Zahl der Jäger mehr als halbiert. Walrosse, Eisbären, Narwale und Robben ziehen sich aufgrund verschlechterter Umweltbedingungen aus den Gewässern zurück, wo sie traditionell bejagt wurden. Eisbären findet man jetzt auf einmal im Umfeld von Städten und Siedlungen. Traditionelle Jäger auf Hundeschlitten müssen jetzt über Land statt auf dem Packeis fahren und dabei immer weitere Strecken zurücklegen. Das wird mit der steigenden Zahl von Stürmen immer gefährlicher und stellt eine wirkliche Bedrohung für die, die von der Jagd leben, dar. Jägergemeinschaften sind mit zunehmenden Unwägbarkeiten auf allen Ebenen ihrer Existenz bedroht, und so wenden sich immer mehr Jäger dem wachsenden Tourismus zu – ein Nebeneffekt der globalen Erwärmung – und anderen Überlebensstrategien, um ihre lokale Selbstversorgung und ihre eigene Kultur beibehalten zu können.“

Wissenschaftlicher Hintergrund

Das Klima in der Arktis hat sich in den letzten 50 Jahren dramatisch verändert. Arktische Gletscher und Eisströme werden schmaler und fließen schneller. Die durchschnittliche jährliche Ausdehnung des Eises auf dem Meer hat sich stark verringert, und Wissenschaftler*innen sagen vorher, dass das Eis auf dem Nordpolarmeer möglicherweise bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ganz verschwindet (IPCC 2007). Der Rückgang des Nordpolareises an Fläche und Volumen hat bisher alle Prognosen übertroffen. Das Eis schmilzt heute 7 mal so schnell wie vor 27 Jahren. 2011, 2012 und 2014 wurden Rekordminima der Eisflächen beobachtet, die nur noch etwa die Hälfte der kleinsten Eisflächen der 80er Jahre darstellten.

Zu Lande und auf dem Meer

Jäger bei Ilulissat, zentrale Westküste von Grönland

© David Trood, Ilulissat 16, flickr /iloveGrönland

Serminnguaq („kleiner Gletscher”), Kangerlussuaq Fjord

© Arne Hardenberg, Flickr,/Ilove Grönland

„Unsere Vorfahren lebten über Tausende von Jahren in diesen Weiten; sie passten sich an eines der härtesten Klima der Welt an und lebten von den Ressourcen, die die Natur darbot. Wenn das Meereis sich ausdehnt, kann man es für viele Dinge nutzen, zum Beispiel Transport, aber seit sieben, acht Jahren gibt es das so nicht mehr. Man sieht das Meer nicht mehr zufrieren. Da, wo der Permafrostboden auftaut, werden Straßen und Flughäfen unstabil, die Infrastruktur nimmt Schaden. Wir sind auch heftigeren Winden mit Wirbelsturmstärken und Regen ausgesetzt, die den ganzen Schnee wegschmelzen.“

Inuuteq Holm Olsen, Stellvertretender Außenminister der Regierung der Selbstverwaltung Grönlands, Plenty 2008.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Der Eisschild Grönlands ist der größte Eiskörper der nördlichen Hemisphäre. Er beeinflusst das Weltklima durch seine direkte Wirkung auf die Höhe des Meeresspiegels, die Temperaturen, den Salzgehalt und die Strömungen der Meere. Der Eisschild Grönlands schmilzt seit den 90er Jahren immer schneller. Grönland hat in den letzten 30 Jahren etwa 3,9 Billionen Tonnen Eis verloren. Man schätzt, dass das Schmelzen des Eisschilds Grönlands derzeit bis zu 10,8 ± 0,9 mm1 pro Jahr zum Anstieg des globalen Meeresspiegels beiträgt. Projektionen sagen seine weitere Abnahme voraus, auch wenn die Prozesse, die die Höhe des Abschmelzens bestimmen, noch nicht voll verstanden sind. Der “Kipp-Punkt”, bei dem der Eisschild vollständig abschmilzt, wird bei einer Zunahme der globalen Temperatur um etwa 3 °C angenommen, wobei diese Schätzung noch unsicher ist.